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Die unsichtbare Falle der Spielsucht

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Die unsichtbare Falle der Spielsucht
« am: 20 August 2025, 05:11:31 »
Ich denke schon lange darüber nach, was genau eine Spielsucht ist – wovon sind wir eigentlich abhängig? Zigaretten, Drogen, Alkohol … das sind greifbare Dinge, die wir anfassen, fühlen können. Drogen stimulieren das Gehirn, ja, aber die Pille oder das Pulver hältst du in der Hand. Alkohol weckt bestimmte Ecken des Geistes, aber du umfasst das Glas, spürst seine Kälte. Zigaretten stillen den Nikotinhunger, und du hältst die Schachtel fest in deiner Hand. Aber das Glücksspiel? Können wir das wirklich berühren? Manche von uns wischen auf dem Handy, andere klicken sich am Computer in das Spiel, und wieder andere strecken in den schummrigen Lichtern des Casinos die Hand nach Karten oder Jetons aus. Doch egal, wie sehr wir es versuchen, das Glücksspiel selbst scheint wie ein Schatten in der Luft zu schweben, unfassbar, nicht greifbar.
Die Spielsucht ist eine seltsame, schwer fassbare Leidenschaft. Denn diese Abhängigkeit hängt nicht an einem Gegenstand, sondern an einem Spiel, das unser eigenes Gehirn erschaffen hat. Wir haben unser Gehirn an dieses Spiel gewöhnt. In jedem Moment der Traurigkeit, der Hoffnungslosigkeit, der Einsamkeit wurde das Glücksspiel zu unserem Zufluchtsort. Doch dieser Zufluchtsort ist weder wie das kühle Glas einer Flasche, noch wie der Rauch einer Zigarette oder die betäubende Wirkung einer Droge. Das Glücksspiel ist wie eine Falle, die unser Geist uns stellt – ein flüchtiger Moment der Aufregung, ein Funken Hoffnung, der uns hineinzieht, aber letztlich nicht greifbar, nicht fühlbar ist. Diese Abhängigkeit gleicht einem Verlorensein im Labyrinth des eigenen Geistes. Wie eigenartig, wie einzigartig ist dieses Gefühl, nicht wahr? An etwas gefesselt zu sein, das wir weder halten noch sehen können … Es ist, als würden wir uns in unseren eigenen Schatten verlieben und verzweifelt versuchen, ihn zu erreichen.

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Offline Olli

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Re: Die unsichtbare Falle der Spielsucht
« Antwort #1 am: 20 August 2025, 05:36:05 »
Guten Morgen!

Hmmm ... wer ist die Person, die diese Art der Lobeshymne auf eine Sucht schreibt? Im Moment denke ich, dass Du noch recht nahe dran bist, kann das sein?

Der Grund, weshalb Du die Glücksspielsucht ncht "greifen" kannst, ist ganz einfach: Man unterscheidet zwischen stoffgebundener und stoffungebundener Sucht. Die Glücksspielsucht gehört zu der letzten Gruppe. Stoffgebundene Süchte bedienen das körpereigene Belohnungssystem und der Stoff macht zudem physisch abhängig. Bei stoffungebunden Süchten wird nur das körpereigene Belohnungssystem bedient.

Die Glücksspielsucht beginnt immer ganz harmlos, doch die Gewöhnung an das Spiel bedingt auch eine Gewöhnung an die dabei ausgestoßenen Glücklichmacher. Schnell wird die Suchtausübung zur Funktion. Da ist keine Leidenschaft mehr ... keine Liebe zum Spiel ... Die Sucht wird zum Schmarotzer, der Deine guten Eigenschafften frisst und nur Lug und Betrug übrig lässt. Ein Hoch darauf, wenn dies sich "nur" gegen sich selbst richtet.

Die Glücksspielsucht verdrängt die Realität. Sie meuchelt die Wahrheit. Sie lächelt Dich an und tritt Dir gleichzeitig in den Allerwertesten. Sie verspricht die Erfüllung aller Träume und zerstört alles, was Du hast.

Die Glücksspielsucht mit all ihren falschen Glaubenssätzen gehört auf die Couch ...

Nachtrag: Kurzum: Die Glücksspielsucht ist `ne Bitch ... :)
« Letzte Änderung: 20 August 2025, 13:11:27 von Olli »
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Rubbel

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Re: Die unsichtbare Falle der Spielsucht
« Antwort #2 am: 20 August 2025, 10:45:24 »
Hi und willkommen, Lordos!

Zitat
Verlorensein im Labyrinth des eigenen Geistes. … Es ist, als würden wir uns in unseren eigenen Schatten verlieben und verzweifelt versuchen, ihn zu erreichen.

Ich verstehe schon, wie Du das meinst. Wobei 'Schatten' hier wohl nicht für Zensur steht oder wie bei Dr. Jeckyll und Mr. Hide für Mr. Hide, sondern für etwas wie einen Ausweg oder zumindest ein Tor zur Erweiterung der Gefühlswelt.
Auf der Suche nach eigentlich was Immatriellem - so war es jedenfalls bei mir. Nach einer Leichtigkeit und Unbekümmertheit.
Nur: es ist zwar eigentlich DAS, was auch für Kinder das Spiel bedeutet - für die Dauer des Spiels - aber sie suchen kein Resultat. Erwachsene allerdings schon. Da geht's um das Gefühl des Siegs, alles andere wäre zu langweilig oder unbefriedigend. Erwachsene tauchen darin unter, und währenddessen oder dafür besteht die Bereitschaft, viel für den Erfolg einzusetzen, manchmal alles. Für eine Illusion, dem Alltag, den gegebenen Umständen, der Angst, den Zwängen etc., zu entkommen. Sich vom Status quo abzusetzen.
Kein Garant, keine sichere Wirkung, und das ist es wohl: im Leben Glück haben, und wenn nicht ... die Leihgabe von Glück.
Ich weiß noch, dass ich von der Aufdringlichkeit der begleitenden Sounds und den schnellen Umdrehungen am Automaten keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte - vor allem nicht in den Momenten, in denen das Geld zuneige ging und ich wieder was abholen oder wechseln musste, um die Anspannung und 'Schicksalshaftigkeit' weiterhin zu erleben. Aufhören hätte mich 'zwangsgeerdet'. Diese 'Landung' wäre für mich eine 'Bruchlandung' gewesen ... 'nicht, solange es vermeidbar ist ...'.

VG Rubbel
--Meist ist Geist geil--

Re: Die unsichtbare Falle der Spielsucht
« Antwort #3 am: 20 August 2025, 12:44:36 »
Hallo Lordos,

ein Loblied auf das Zocken in welcher Art auch immer? Oder was willst Du uns genau mit deinem Text sagen?

Im übrigen sehe ich das nicht so wie Du mit dem greifbaren. Die Parallelen sind in gewisser Hinsicht da. Du hältst Dein Bier, den Schnaps, die Zigarette oder die Pillen in der Hand und spürst bzw empfindest etwas. Richtig.
Aber auch beim Zocken hast Du die Jetons, das Handy oder die Tastatur in der Hand und steuerst das Elend persönlich in dem Moment in dem Du es willst. Hätten wir keine Hände könnten wir sowohl das eine als auch das andere nicht durchführen. Das Hirn steuert unsere Hände zum Mund oder eben lässt uns die Drehanzahl und den Wert des Drehs eingeben um dann beim drücken des Startbutton das Glücksgefühl auszulösen.
Und bei allen Varianten kommt der Zeitpunkt an dem der Grund warum wir es tun nur noch der ist dass wir es tun.

Du darfst, wenn Du magst, gerne etwas mehr über dich hier hinterlassen. Ich denke wie Olli es beschrieben hat auch daß Du noch sehr nah dran bist.

LG Roy
Da ich kein Anwalt bin spiegeln meine Posts lediglich meine eigene Meinung wieder.

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Offline andreasg

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Re: Die unsichtbare Falle der Spielsucht
« Antwort #4 am: 20 August 2025, 15:32:19 »
Ich bin überzeugt davon, die Sucht verstehen zu wollen. Es ist ein Lernprozess, seinen Status zu finden, und eben keine Verallgemeinerungen zu dulden.

Der Alkoholiker lässt sein erstes Glas Heute stehen - trocken
Der Raucher steckt sich keine Pfeife und Zigarette in den Mund - Nichtraucher,
Der Drogenabhängige setzt sich keine Nadel an die Vene - clean,

das wird hinlänglich so verstanden.

Was macht z.B. der Arbeitssüchtige, und der Kaufsüchtige, ähh - nicht mehr arbeiten, nichts mehr kaufen, der Esssüchtige eben nichts mehr essen , das ergibt Abstinenz.
Und der Spielsüchtige? Darf der noch im Sandkasten spielen?
Von den Sexsüchtigen, Romanzensüchtigen und Beziehungssüchtigen will ich lieber erst gar nicht anfangen, das könnte lüstern machen.

"Wenn du mit dem Spielen aufhören willst, dann werf doch kein Geld mehr in den Kasten"! - Nein, das funktioniert nicht, gerade deshalb, weil die Suchtstruktur die Süchte verbindet,
und wir Süchtigen sind gehalten, uns diese explzit anzusehen.

Ich habe in meinem Leben gesoffen wie ein (ich mag keine unschuldigen Lebewesen denunzieren), und ich fühle mich nicht wei ein Alkoholiker, ich habe schwer geraucht, und ich bin 22 Jahre Rauchabstinent, ich habe nach einer schweren OP Morphiate bekommen, die mich high machten, aber ich bin nicht Drogenabhängig.

Das Spielen war für mich eine Hilfe, nicht tief in die Droge zu greifen, aber sie hat mein Großhirn in Raserei versetzt. Daher brauche ich keine Flucht vor dem Leben mehr, ich meine die Suchtasübung,, sondern ich nehme mir die Zeit zum Leben, so viel, wie ich erhalten kann.
Mein Schlüssel für diesen Eingang ist  ist immer die Abstinenz vom zwanghaften Glückssiel

Einen Tag zur Zeit

Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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Offline Eva54

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Re: Die unsichtbare Falle der Spielsucht
« Antwort #5 am: 20 August 2025, 17:08:59 »
Dein Text hat eine große Kraft, dass Du Dich selbst mit offenen Händen und verletztem Herzen in die Wahrheit hineinlehnst. Ich möchte Dir so antworten, mit Poesie, aber auch mit dem Wissen darum, was im Inneren von Körper und Seele geschieht.

Die Spielsucht wirkt nicht nur wie ein Schatten im Geist, sie schreibt sich in unsere Biochemie ein. In dem Moment, in dem wir spielen, tanzen Botenstoffe wie Dopamin, Adrenalin und Endorphine durch unsere Synapsen. Es ist ein Feuerwerk, das kein Jeton, kein Kartenblatt, kein Bildschirm tatsächlich in sich trägt – sondern unser Gehirn selbst entzündet. Deshalb fühlt sich Glücksspiel so greifbar an, obwohl es nichts Materielles ist: unser eigenes Nervensystem macht es zu einer Realität. Doch wie bei jeder stofflichen Sucht ist auch hier nicht nur die Substanz entscheidend – auch der Alkoholiker hängt nicht bloß am Alkohol, sondern an der Wirkung, an dem inneren Ritual, an dem unsichtbaren Trost. Sonst würde der Entzug genügen und alles wäre vorbei.

Jeder Glücksspielsüchtige Mensch trägt dabei seine ganz eigene Geschichte. Manche finden den Weg über Therapie, andere über Meetings, wieder andere über schmerzvolle Umwege. Und doch teilen wir etwas: dass die Sucht zum Stillstand gebracht wird. Stillstand – nicht unbedingt Frieden, denn der Suchtdruck ist oft wie ein Sturm, der wieder aufzieht. Und in diesem Sturm brauchen wir Waffen, die nicht verletzen, sondern verwandeln: Bewegung, Musik, Atem, Natur. Schnapp Dir Kopfhörer, lass Deine Lieblingsmusik Deine Adern füllen, renne, laufe, springe, fahre Rad oder Inlineskates – aber gib Deinem Körper die Möglichkeit, die angestaute Energie zu entladen. Und wenn es möglich ist, setz Dich danach in den Wald, horch in Dich hinein, lausche, wer Du bist, wenn der Sturm abebbt.

In Deinem Text lese ich etwas, das mich berührt: als würdest Du die Spielsucht fast beschützen, als würdest Du sie mit einer zarten, romantischen Hand umhüllen. Dieses Verhalten kenne ich – aus der Psychologie, aus dem nackten Überleben. Ich selbst lernte früh, Mitgefühl für den Täter zu entwickeln, um nicht zerstört zu werden. Ich lebte mit einem Stiefvater, der eine Waffe im Nachttisch hatte, und seine Brutalität gipfelte oft in der Drohung diese gegen mich zu richten. Ich tat jahrelang alles erdenkliche, um ihn bei guter Laune zu halten und somit für eine friedliche Stimmung zu sorgen.  So lernte ich: Beschütze das, was Dich bedroht. Später tat ich es in Co-Abhängigkeit, bis ich selbst süchtig wurde. Kannst Du Dir vorstellen, was für ein Mensch aus so etwas hervorgeht? Sicher keiner, der sofort frei, erfüllt und selbstbestimmt lebt. Doch genau dort beginnt die eigentliche, alles entscheidende Frage:
Wer bist Du?

Nicht als Spieler, nicht als Süchtiger, nicht als Opfer der Umstände – sondern jenseits von all dem.
Wer bist Du, abseits der Konventionen, abseits der Masken, abseits dessen, was andere in Dir sehen?
Was macht Dich liebenswert ,was nicht und wer darf das überhaupt entscheiden?

Im Meeting stelle ich mir diese Frage immer wieder, wenn ich Menschen begegne, die dasselbe teilen – und doch eine völlig andere Geschichte erzählen. Meine eigene Geschichte geht so: Nachdem ich das Spielen beendet hatte, kam der Druck, stärker als ich je gedacht hätte. Ich begann eine Therapie, ging in Meetings, lernte Struktur. Ich stellte die Spielfreiheit in den Mittelpunkt, weil ich erkannte, dass die kritische Zeit vorbeigeht, wenn man sie übersteht. Heute stütze ich mich auf Bewegung, Musik, absolute Ehrlichkeit, auf lange Sonntage im Bett, Kuchen, Bücher, Gespräche – und wieder Sport, immer wieder Sport.

Und nun frage ich Dich:
Wenn die Karten, die Jetons, die Bildschirme verschwinden – wenn der Schatten vergeht – wer bleibt dann übrig?
Vielleicht bist Du ein Mensch, der lacht, wenn niemand zusieht. Vielleicht jemand, der tanzen möchte, aber noch nicht die Musik gefunden hat. Vielleicht jemand, der längst geliebt wird, ohne dass er es je beweisen müsste.

Die Antwort ist kein Ergebnis, sondern ein Weg. Und gehe ihn hier, Schritt für Schritt, Wort für Wort, Atemzug für Atemzug.

Also frage ich Dich noch einmal – nicht als Süchtigen, nicht als Opfer, nicht als Romantiker der Sucht:
Wer bist DU?

Herzlichst
Eva

« Letzte Änderung: 20 August 2025, 18:35:20 von Eva54 »
Dein Weg ist einzigartig-und er führt zu dir selbst zurück!

 

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