Ich möchte das Gespräch hier gern um eine weitere wichtige Ebene ergänzen. Es sollte in der Tat nicht nur um die reine "Hasenjagd" wir gegen die Anbieter und die Frage "Wann kriege ich mein Geld?" gehen. Die juristischen Mühlen mahlen langsam. Die Verzögerungen durch die EuGH-Vorlagen und die Taktiken der Anbieter sind zermürbend, und die Sorge, ob man jemals zu seinem Recht kommt, ist omnipräsent.
Doch ich möchte uns alle dazu anregen, die gesamte Rückforderungsaktion als ein letztes, tiefgreifendes Ereignis der Aufarbeitung unserer Suchtgeschichte und Vergangenheit zu betrachten – nicht nur als juristischen oder finanziellen Akt.
Das Phänomen des moralischen "Chasing": Eine letzte Aufarbeitung
Wir alle kennen das Chasing, das verzweifelte Nacheinanderzocken, um Verluste wettzumachen. Es ist der Teufelskreis der Sucht, getrieben von Angst, Gier und Hoffnung.
Die Anbieterindustrie trägt an unserer Misere eine große Mitschuld. Sie hat unsere Schwächen, unsere psychologischen Trigger, unsere Notlagen gezielt ausgenutzt, um ihre Gewinnmaximierung voranzutreiben. Was wir verloren haben, war ja nicht nur Geld – es war gestohlene Lebenszeit, waren zerbrochene Beziehungen und eine gestohlene Zukunftsperspektive.
Die juristische Rückforderung ist nun das Spiegelbild dieses Chasing – aber auf einer moralisch gerechten und fairen Ebene. Wir jagen jetzt nicht dem verlorenen Gewinn hinterher, sondern fordern das gestohlene Kapital und die Anerkennung des Unrechts zurück. Wir kämpfen nicht mehr im Casino, sondern mit dem Gesetz in der Hand, mit klarem Verstand und dem berechtigten Anspruch auf Wiedergutmachung.
Dies ist die einmalige und letzte Chance, das Schicksal des verlorenen Geldes zu besiegeln.
Und genau hier liegt unsere finale Verantwortung: Die Anbieter haben ihre Mitschuld. Aber der langfristige Sieg liegt allein bei uns. Wir "gewinnen" diesen Kampf nicht erst, wenn das Geld auf dem Konto ist. Wir gewinnen ihn nur, wenn wir beweisen, dass wir die tiefere Lektion verstanden haben, spielfrei sind und es auch bleiben.
Die Rückzahlung als "Geschenk des Abschlusses"
Betrachtet das Geld, sollte es zurückkommen, nicht einfach als einen Kontostand. Seht es als das Ticket zum endgültigen Ausstieg.
Dieses Geld repräsentiert die letzte, greifbare Verbindung zu unserer Spielervergangenheit. Es ist das moralische "Geschenk", das uns die Gerechtigkeit (hoffentlich) gibt, um die Akte unserer Suchtgeschichte definitiv zu schließen.
Daraus muss ein unumstößlicher Vertrag mit uns selbst entstehen:
Wenn dieses Geld realisiert wird – sei es morgen, in einem Jahr oder in zwei Jahren – dann ist das unsere Chance, mit erhobenem Haupt aus dem Casino zu gehen und die Türe für immer zu verriegeln.
Es wird keine zweite Chance geben, diese Verluste "aufzuarbeiten".
Es wird keine moralische Rechtfertigung mehr geben, das Spiel wieder aufzunehmen, weil man "noch im Verlust" steht.
Es wird keine Entschuldigung mehr geben, sich selbst oder anderen gegenüber zu erklären, man müsse "das letzte Mal" spielen.
Der wahre Gewinn
Der eigentliche, unverlierbare Gewinn ist die Spielfreiheit, die ihr heute lebt. Die Rückforderung ist der finanzielle und moralische Anker, der euch dabei hilft, die Vergangenheit endgültig loszulassen.
Nutzt die juristische Wartezeit, um eure persönliche Stärke aufzubauen. Wenn der Tag der Zahlung kommt, müsst ihr so gefestigt sein, dass dieses "Geschenk" sofort in eine spielfreie Zukunft investiert wird.
Bleibt stark und haltet die moralische Flamme hell. Wir sind auf dem richtigen Weg.