Habe eine persönliche Nachricht erhalten und möchte die zum Anlass nehmen für ein Update, wie es bei mir weiterging.
Zentral war die Erkenntnis, dass ich kein Geld in einen Spielautomaten werfen würde von dem ich weiß, dass er nur 90% davon wieder ausschüttet (negativer Erwartungswert). Vielleicht einmal zum Spaß, aber nicht systematisch über eine längere Zeit. Im Umkehrschluss war bei mir also offensichtlich die Erwartung da, dass Trading einen positiven Erwartungswert hat. Und es gibt ja Trader (wenn auch eher wenige), die langfristig profitabel an den Märkten agieren. Einen profitablen Automatenspieler kann es über einen langen Zeitraum einfach nicht geben.
Woher kam nun meine Annahme, dass Trading profitabel sein kann? Wenn es an einem Handelstag große Bewegungen gab, kamen oft Gedanken wie „Mensch… da hätte man ja beim Einstieg nur 50 Punkte nach oben und unten absichern müssen. In die eine Richtung hätte man dann 50 Punkte verloren und in die andere 300 gewonnen. So leicht ist das!“. Das ist natürlich eine rückblickende Betrachtung, die vorausschauende Regel wäre: „Einstieg zur Markteröffnung Long und Short, Stop Loss jeweils 50 Punkte vom Einstieg entfernt.“ (um ein sehr triviales Beispiel zu nehmen, das niemanden triggern sollte). Dann muss man ja schauen, was diese Strategie an den letzten 100, 250 oder 500 Handelstagen an Gewinn (oder Verlust) gebracht hätte. Das nennt sich Backtesting.
Ich verbrachte also eine wirklich viel Zeit damit (hunderte von Stunden), solche Regeln in Formeln auszudrücken und dann backzutesten. Erst mit Excel, später mit speziellen Tools. Das Ergebnis ist ernüchternd: Fast alle Strategien kommen einem Münzwurf gleich, das heißt der Erwartungswert ist null – ohne Spread und Gebühren. Die natürlich immer dazukommen, so dass fast alle von mir getesteten Strategien einen negativen Erwartungswert haben. Auch alle Modifikationen (nur an bestimmten Wochentagen handeln, nur wenn sich der Markt am Vortag in diese und jeden Richtung bewegt hat, usw.) halfen nichts. Das war der Punkt, wo ich das Zocken gelassen habe. Denn so war der negative Erwartungswert für mich erwiesen und wie gesagt lasse ich von solchen Sachen die Finger.
Und ich habe mich auf die wenigen Strategien konzentriert, deren Erwartungswert auch nach Spread und Gebühren noch positiv war. Diese optimiert, mit kleinen Summen getestet, weiter optimiert. Und siehe da: Sie funktionieren. Voll automatisiert, denn wenn man die Regeln einmal programmiert hat, muss man nicht mehr vor dem Rechner sitzen und selbst auf Knöpfchen drücken – was irrationalen Aktionen Tür und Tor öffnet. Dabei handele ich übrigens CFD und (Micro) Futures, die in anderen Beträgen hier als „Teufelszeug“ eingeordnet werden. Das sind sie in zittrigen Händen auch – sinnvoll damit umzugehen erfordert wirklich viel, viel Arbeit.
So habe ich in den letzten Monaten nun 10k Euro verdient. Das ist gerade mal ein Zehntel von dem, was ich verzockt habe. Und das noch mit riesigem Zeitaufwand. Aber in dieser Zeit habe ich gelernt, wie ich automatische Handelssysteme programmiere. Ich kann neue Strategien entwickeln oder für meine jetzigen mehr Kapital einsetzen. Ich habe wirklich viel über Risiko, Wahrscheinlichkeiten, voreingenommene Wahrnehmung usw. gelernt. Aber vor allem: Ich habe kein Geld durch unkontrolliertes Zocken verloren.
Natürlich könnte es sein, dass meine Strategien ins Minus laufen. Dafür brächte es aber einen ziemlich langen Zeitraum, einzelne „Katastrophentage“ reichen da bei Weitem nicht (das aktuelle Ergebnis kam mit mehr als 500 Einzeltrades zu Stande, die natürlich alle Gebühren gekostet haben; ohne die wäre der Gewinn rund 30% höher). Und es besteht ja immer die Möglichkeit, die Strategien zu überarbeiten, wenn sie nicht mehr richtig „ziehen“.
Ob sich das langfristig lohnen wird, weiß ich nicht; das ist hier auch nicht das Thema. Teilen wollte ich, wie ich mein „Trading-Monster“ entthront habe. Emotionen sind übrigens immer noch im Spiel, nach einem besonders guten Tag bin ich euphorisch und ein schlechter schlägt mir auf den Magen. Das verleitet mich aber beides nicht, außerhalb meiner Strategien Positionen einzugehen. Wobei die Automatisierung das zentrale Element ist, bei manueller Ausführung würde ich wahrscheinlich irgendwann wieder niederen Impulsen nachgeben.