Hallo ihr,
ich bin seit letztem Jahr Mitglied in diesem Forum, bin 27 Jahre jung, seit einem Jahr fertiger Psychologe und seit vermutlich 7 Jahren spielsüchtig. Ich habe vorhin den den Beitrag von Wanderer gelesen und alles wiederkennen müssen, so wie sich hier vermutlich jeder in jedem irgendwie wieder erkennt.
Ich hab seit ich mit 18 neben der Schule und dann Uni her gejobbt habe, fast immer mein ganzes Geld fürs zocken ausgeben. Phasenweise war es schlimmer, dann wieder weniger schlimm. je nach Beziehungsstatus und Laune. Damals waren es der Automat in der Boazn ein paar Euro auf 10 oder 20 ct und die 10 Euro Paysafes im Online Casino und jetzt erwische ich mich dabei wie ich auf 50 Euro pro Dreh spiele, damit auch ja jeder Cent verspielt wird. Ein paar Mal habe ich die Möglichkeit gehabt mit den Gewinnen aus meinen Schulden rauszukommen und es doch nie getan. Jetzt bin ich hier, seit ein paar Wochen wegen einer Verletzung arbeitsunfähig und habe wieder eine neue Spitze und vermutlich ca. 20 000 Euro schulden erreicht.
Ich hab immer alles irgendwie regeln können, Urlaube, feiern. Hab mir zwar selten neue Dinge zugelegt die ich gerne gehabt hätte, aber es hat trotzdem alles irgendwie funktioniert, bis ich dann das erste mal einen Kredit aufgenommen hab. Klar war das Spielen immer mal wieder ne Belastung für mich aber es hat mich nie komplett auseinander genommen. Das war letztes Jahr im Juli, ca 8 Wochen nach dem mein Vater aus dem Nichts an von heute auf morgen an einem Herzinfarkt verstorben ist. Mein Vater war für mich des beste Mensch den ich bis heute kennen durfte.
Leider hat mein Vater mich immer wieder finanziell unterstützt, er war ab und zu skeptisch aber i.d.R. musste ich ihn kurz anschreiben und hatte 5 Minuten später 100-200 Öcken auf meinem Paypal Konto. Natürlich hab ich immer nur mit Ausreden und Lügen um mich geworfen. Bei allen. Meine Freunde wussten schon dass ich ein bisschen ein Problem habe, da ich wirklich jeden Sonntag Abend.,wenn ich nichts mehr hatte und fertig war vom Wochenende und auch sonst wann, angepumpt habe. Ich habe bis heute Gewissensbisse das mein Vater meine Sucht gefüttert hat. Letztes Jahr hatte ich mir schon einige Wochen lang vorgenommen mir irgendwie Hilfe zu holen und hatte vor, wenigstens mit ihm zu sprechen. Er würde mich unterstützen, bei allem. Das hat er immer getan. Leider hatte ich nicht mehr die Gelegenheit, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Spitze war erreicht, eben letztes Jahr, als ich dann schon ein paar Monate am Tag der Lohnzahlung, mein ganzes Gehalt verballert hab und dann auch meine Fixkosten nicht mehr zahlen konnte (Fixkosten waren bei mir wenn es hochkommt 200Euro, ich wohne noch bei meiner Mama). Ich hatte kein Geld mehr und hatte aber über das Handy meines Dads Zugriff auf ein kleines Konto von ihm, wo so 200 Euro drauf waren durch Verkäufe seine selbst geschriebenen Lehrbücher. Hab das alles zum Spielen benutzt. Das bisschen Geld, von meinem toten Vater. Das war von außen betrachtet wirklich ein Tiefpunkt meiner Selbst, trotzdem war es mir innerlich irgendwie scheißegal. Meine Family hat dass dann natürlich rausbekommen, ich hatte mich entschuldigt, hatte auch gesagt ich Regel das. Dann hab ich nen 3000 Euro Kredit aufgenommen und das Geld überwiesen, die restlichen 1000 wieder sofort verspielt. Nichtmal meine mickrigen Fixkosten hab ich ausgeglichen. Aber es hat ja trotzdem alles irgendwie funktioniert und ich war/bin ja auch in ner schwierigen Phase weshalb es für mich noch leichter war, zu spielen. Das Ganze ist dann noch mehr ausgeartet, ich sollte nun Miete bei meiner Mama zahlen um sie zu entlasten (was für mich selbstverständlich wäre, hätte ich nicht dieses Problem), konnte aber direkt nicht zahlen. Nach zwei Monaten (ca im Oktober) hab ich es dann endlich meiner Mutter gesagt: "Ich hab ein Spielproblem und Schulden und weiß nicht was ich tun soll." Meine Mam hatte ich die Monate zuvor ein wenig Geld überwiesen, was sie für mich gespart hat, das hat sie mir dann gegeben um gleich einen von 2 Krediten abzulösen. Ich war happy und dachte, das wars. Jetzt beginnt meine Veränderung. Schwups paar Wochen später , wieder Gehalt verzockt. Meine Mama ist völlig eskaliert, wollte sofort das ich in eine Klinik gehe, was mich auch sehr wütend gemacht hat. Ich hatte es dann schon mal abgewogen zu der Zeit aber wollte es einfach nicht. Ich bin dann zur Drogen- und Suchtberatung gegangen. Dass war das Beste was ich bis jetzt unternommen habe. Ich habs dann geschafft ab November spielfrei zu sein für so 4-5 Monate. Das war ne gute Zeit, die längste spielfreie Zeit, seit ich ein junger Mann geworden bin.
Dann hab ich mit Aktien angefangen und Krypto, dachte ich kann dort auf erwachsener Ebene Geld investieren und sparen. Nach ein paar Wochen hab ich das Hebeln entdeckt und über die Monate auch wieder sehr viel Geld "verspielt". Ich hab aber meine Finanzen trotzdem im Griff gehabt. Bei meiner Therapie hab ich mal angeschnitten dass ich mir grüble, ob Tranig als zocken gilt, habs aber so klein geredet, dass wir auf dieses Thema nicht wirklich eingegangen sind. Dadurch hab ich mir quasi eine illusionierte Absolution dafür geholt. Gegen Mai hab ich dann wieder angefangen bei TicTricTrac zu spielen, kleine Beträge. Die Einzahlungen waren dann aber doch ziemlich groß, bis ich schließlich an den Punkt kam wieder auf einer ordentlichen Seite zu spielen. Und dann so exzessiv wie noch nie zuvor. Dort hab ich einiges verloren. Hab dann ne Umschuldung gemacht, Kreditkarten beantragt etc, bis gar nichts mehr ging. Nach der Umschuldung kam ein 25000 euro Gewinn, keinen Cent hab ich ausgezahlt. Man denkt immer: Geil meine Probleme sind gelöst, ich muss auszahlen und alles tilgen und dann kann ich entspannt wieder aufhören. Das ist natürlich nicht passiert.
Die 4 Wochen Arbeitsunfähigkeit haben mich nun komplett auseinander genommen, ich hab wirklich bis zum Ende alles ausgereizt was ich kann und die "Probleme" werde ich so richtig erst in den kommenden Wochen spüren und ich fühle mich absolut verloren. Bei der Therapie war ich länger nicht, habe jetzt schon 3 Termine verschoben. Meine Freundin fragt immer nach was los ist, sie war die letzten 2 Jahre an meiner Seite, ich war irgendwann auch 99% ehrlich zu ihr. Jetzt schieb ich alles auf meine Traurigkeit etc. und sag immer wieder, mir gehts einfach nicht so gut. Aber: Jede Sekunde, die sie nicht hier war, habe ich die letzten Wochen mit Spielen verbracht und ich komm aus dem Strudel nicht raus.
Damit ich bei meiner Therapeutin aus der Suchtberatung bleiben kann, muss sie mich als Reha Patient offiziell anmelden. Das setzt Abstinenz voraus. Ich liebe Bier, ich denke nicht das ich ein Alkoholproblem habe, aber es es wird mir sicher nicht leicht fallen, darauf komplett zu verzichten. Amphetamine sind auch ein Thema seit ein paar Jahren, eigentlich nur zum feiern, mittlerweile zum Zocken. Mir ist klar, dass das Spielen auch daran gekoppelt ist. Ich hab das Angebot von einer Aufnahme in der Suchtstelle angenommen wollte aber mit der Abstinenz im November beginnen. Warum schieb ich das vor mir her? Weil ich noch einen großen Urlaub mit Freunden geplant habe und ich da nicht eingeschränkt sein möchte. Und weil ich denke, im Winter wird es mir leichter fallen nichts zu trinken, da einfach weniger los ist im Winter. Die Therapeutin war mit meinem Vorschlag einverstanden und ich will das nach wie vor durchziehen. Aber wie zum Teufel habe ich mich jetzt nochmal und noch so viel tiefer in den Abgrund gestürzt? Ich bin am Ende und hab auch furchtbar Angst vor dem mentalen Stress und Ängsten zwecks finanziellen Problemen, da es mich jetzt schon sehr treibt. Meine Therapeutin weiß von dem Rückfall, sonst weiß es niemand so wirklich, bzw. wie schlimm es wirklich gerade ist. Meine Freundin macht alles für mich, sie hat mir sehr durch den Verlust meines Vaters geholfen, ich lüge jetzt schon seit Wochen und will ihr das nicht antun sie so zu verletzten, vor allem weil ich weiß, dass sie mir geholfen hätte, hätte ich früher was gesagt. Jetzt zieht sich das schon wieder so lang, dass ich mir nicht sicher bin.
Ich bin Psychologe, ich weiß es doch eigentlich besser, trotzdem mach ich mich so kaputt damit. Ich wirke auf die meisten Leute in meinem Umfeld immer ziemlich positiv und das was ich sage hat bei einigen Menschen auch Gewicht, was ich sehr zu schätzen weiß. Ich hab eigentlich alles um glücklich zu sein und hab eigentlich auch super Ressourcen um das in den Griff zu bekommen. Trotzdem schaffe ich es nicht. In manchen Themen will ich ernst genommen werden und wie ein erwachsener behandelt werden, in manchen fühl ich mich aber wie 15 Jahre alt und unbeholfen, keine Ahnung wie das Leben funktioniert. Ich habe damals als ich frisch in der Therapie war, viel in diesem Forum gestöbert, dann lange nicht mehr, es ist purer Wahnsinn, was wir alles tun damit wir uns auch ja so schlimm wie möglich schaden.
Vielleicht habt ihr ein paar Worte dazu, wenn nicht, bin ich froh diesen Text endlich mal ansatzweise verfasst zu haben, weil das schon endlich mal wieder ein Krümel eines Anfangs für mich darstellt.