Ich möchte gern einen Thread öffnen, weil auch einige Nutzer dies gewünscht haben,der nicht auf der juristischen Ebene ansetzt, sondern auf der, die darunterliegt. Wir diskutieren seit Monaten über Urteile, EuGH-Vorlagen, Vollstreckung, Taktiken der Anbieter, Strategien der Anwälte und über die strukturellen Probleme der Branche. Das ist alles wichtig und notwendig – aber es erklärt nur, was außen passiert.
Was kaum besprochen wird, ist das, was innen passiert. Was das alles emotional und moralisch mit uns macht. Für viele ist diese Rückforderungsphase das erste Mal seit langer Zeit, dass die eigene Spielvergangenheit wieder in einer konkreten Weise ins Leben tritt. Nicht durch einen Trigger, nicht durch ein Casino, nicht durch ein Angebot – sondern durch die Aussicht auf „Gerechtigkeit“ und vielleicht auf eine Rückzahlung.
In einer Diskussion hat Olli völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass man beim Thema „Chasing“ sehr vorsichtig sein muss. Er hat gesagt, dass es gefährlich ist, die Rückforderung mit dem früheren Chasing zu verknüpfen. Und ich finde, er hat einen wichtigen Punkt getroffen. Das, was ich meinte, war nicht, dass die Rückforderung selbst ein Chasing ist – sondern dass die innere Bewegung, die manche von uns dabei spüren, etwas aus der alten Zeit berührt.
Chasing war damals getrieben, verzweifelt und irrational. Die Rückforderung ist das genaue Gegenteil: klar, begründet, nüchtern, fair. Aber trotzdem ähnelt sich die emotionale Landschaft in etwas: das Hoffen, das Warten, das Rechnen, die Erwartungshaltung, die Frage, ob und wann etwas zurückkommt. Diese Parallele ist nicht gefährlich, wenn man sie erkennt. Sie ist gefährlich, wenn man sie nicht erkennt.
Deshalb halte ich es für wichtig, genau darüber zu sprechen:
Nicht, weil wir die Rückforderung pathologisieren wollen, sondern weil wir verstehen müssen, dass sie für viele der letzte Kontaktpunkt mit der alten Spielzeit ist. Und weil genau dieser Punkt aus zwei Seiten besteht: der juristischen – und der moralischen.
Denn die Wahrheit ist:
Die Anbieter haben uns damals gezielt ausgenutzt. Unsere Schwächen, unsere Not, unsere Trigger, unsere Verletzlichkeit. Sie haben nicht einfach „Gewinn gemacht“. Sie haben Lebenszeit genommen. Perspektiven. Beziehungen. Selbstwert. Die Rückforderung ist – für viele – nicht einfach „Geld zurück“. Sie ist ein moralischer Ausgleich. Ein Stück Gerechtigkeit. Ein Versuch, ein zerstörtes Kapitel abzuschließen.
Aber der Abschluss entsteht nicht im Gerichtssaal.
Er entsteht in uns.
Und hier liegt der Punkt, den ich ansprechen möchte: Die Rückzahlung – wenn sie irgendwann kommt – ist nicht einfach ein Kontostand. Sie ist das letzte greifbare Stück unserer alten Spielergeschichte. Sie ist die letzte Verbindung zu einer Zeit, in der wir keine Kontrolle hatten. Sie ist das, was wir damals verzweifelt gejagt haben – und jetzt auf einer ganz anderen Ebene zurückbekommen könnten.
Deshalb ist es wichtig, dieses Geld, sollte es kommen, nicht als Einladung zu verstehen, sondern als Abschluss. Nicht als Start, sondern als Ende. Nicht als moralische Rechtfertigung, in alte Muster zu rutschen, sondern als Verpflichtung uns selbst gegenüber, dass wir jetzt endgültig frei sind.
Wenn eine Rückzahlung kommt, muss das der Moment sein, an dem wir die Tür hinter der Spielvergangenheit nicht nur schließen, sondern verriegeln. Einmal. Nicht wieder aufmachen. Es gibt dann keine „Verluste“, die man „wiedergutmachen“ müsste. Keine Ausrede mehr für ein „letztes Mal“. Kein Restrechtfertigungsgerüst.
Die juristischen Prozesse laufen langsam, das ist so. Die Wartezeit ist lang, das ist so. Aber genau diese Wartezeit ist auch die Zeit, in der wir uns innerlich positionieren müssen. Stabil. Klar. Reflektiert. Damit der Tag, an dem irgendetwas auf dem Konto landet, nicht ein neues Risiko schafft, sondern ein moralischer Schlusspunkt wird.
Ich eröffne diesen Thread deshalb als Raum für die Seite, die man nicht in Schriftsätzen erklären kann:
Wie geht man emotional durch diese Phase?
Wie bleibt man stabil?
Wie trennt man den juristischen Prozess sauber vom früheren Suchtverhalten?
Wie vermeidet man, dass Erwartungen zu innerem Druck werden?
Und wie definiert man für sich selbst, was eine Rückzahlung bedeuten darf – und was sie nie wieder bedeuten darf?
Vielleicht ist das genau der richtige Ort, um diese Fragen zu stellen. Nicht vor Gericht, sondern vor sich selbst. Und als Gemeinschaft, die genau weiß, wie sensibel dieses Terrain ist – und wie wertvoll die Spielfreiheit, die wir heute leben.