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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Ich bin ganz ganz unten

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Ich bin ganz ganz unten
« am: 29 Juli 2025, 11:45:11 »
Hallo,
ich möchte heute von meiner aktuellen Situation sprechen. Erst mal zu mir: ich bin 24 Jahre alt, guter Job, Wohne noch Zuhause (woran das wohl liegt?!) und bin hochgradig spielsüchtig. Angefangen hat es bei mir mit 15. Ich bin davor auch schon ab und zu mal mit meinem besten Kumpel in Cafes gegangen um auf Fußballspiele zu wetten, aber da ging es wirklich nur um kleine 5€ Einsätze (wobei dass natürlich alles war was ich hatte in dem alter).  Mit 15 ging es aber los, dass ich mir an Tankstellen mit meinem Taschengeld Paysafecards gekauft habe um Online zu Zocken. Meistens Roulette oder Slots. Es hat mich vom allerersten Tag an schon sehr gefesselt. Ich muss dazusagen, dass ich sehr Suchtanfällig bin. Also von allem was Süchtig macht (Nikotin, Cannabis, Glücksspiel- mehr hab ich nicht gemacht) bin ich sofort süchtig geworden. Das hat sich eigentlich bis zum Start meiner Ausbildung mit 18 so hingezogen das ich meistens mein ganzes Taschengeld, Geburtstagsgeld etc. Für Glücksspiel verballert habe. Ich muss dazu sagen, dass meine freunde genau so waren wie ich, nur mit dem unterschied, dass ich der extremste von allen war und mit abstand am meisten gezockt habe. Außerdem konnte ich damals schon nie auszahlen, egal wie viel ich gewonnen habe, ich habe es meistens verballert. Und wenn ich es mal ausgezahlt habe, dann hab ich es meistens 2 tage später wieder eingezahlt. Nach dem Beginn meiner Ausbildung ging es dann richtig berg ab. Ich habe jeden Monat ca. 80% meines Gehalts verspielt. Oft alleine aber manchmal auch mit meinen freunden zusammen. Meistens haben wir uns Samstag abends getroffen, haben in ruhe eingezahlt und einen Joint geraucht und einfach den schönen Abend genossen. Während meine anderen Freunde sich mit ihrem Ausbildungsgeld neue Klamotten gekauft haben oder viele Dinge unternommen haben, habe ich mein geld im Online casino verdreht. Ich will noch erwähnen, dass ich von Grund auf eigentlich ein extrem positiver und ich würde mal sagen beliebter mensch bin. Also äußerlich sah es aus, als wäre bei mir alles super. Ich überspringe jetzt mal vieles bis zum absoluten Tiefpunkt: nach meiner Ausbildung habe ich plötzlich sehr gutes Geld für meiner Verhältnisse verdient (3000€-4500€) netto und joa selbstverständlich ist auch das meistens im Casino gelandet. Und meistens noch am gleichen Tag als das Gehalt aufs Konto gekommen ist. Ich habe mir lediglich immer Geld drauf gelassen für Meine Fixkosten. Irgendwann wurden meine Einsätze extremer und mein
umfeld hat schon mitbekommen das irgendwas bei mir nicht stimmen muss. „Wieso hat der nie geld“? „Wieso wohnt er noch Zuhause?“ solche sachen. Dann ging die bekannte Leier los: Dispo genommen, dann Kredit genommen dann wieder Kredit genommen um den anderen umzuschulden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ca. 20000€ schulden. Dann kam der „Lichtblick“: Ich hab tatsächlich aus 150€ 70.000€ gemacht. Ich dachte ich wäre reich. Ich dachte ich hätte das System tatsächlich besiegt. PROBLEM: auf der Seite konnte man Wöchentlich nur 5000€ auszahlen. Zur Sicherheit habe ich meine Account Daten an einen Freund gegeben, da er wusste ich bin extrem Krank süchtig und verballer das. Er hat auch sein bestes getan um mir nicht diesen Account zu geben, allerdings habe ich eines Tages so sehr angelogen und terrorisiert bis ich den account wieder hatte. Keine 4std später hab ich alles was noch drauf war verballert. Von den 70.000€ hab ich nur 5000€ ausgezahlt und diese natürlich während der Zeit als ich den Account nicht hatte auf einer anderen seite eingezahlt. (Mir fällt auf das das völlig krank ist was ich alles gemacht habe). Plötzlich stand ich da: statt 70.000€ hatte ich über 20.000€ schulden und keinen einzigen Cent mehr. Ich habe mein Leuten den ich erzählt habe das ich viel Geld gewonnen habe erzählt, dass die Bundesbank mich bestrafen wollte wegen illegalem glücksspiel und ich deswegen nicht auszahlen konnte, damit sie nicht denken ich habe tatsächlich wieder alles verzockt. Dann ging es weiter, dass ich plötzlich jeden Tag ca. 10 Panikattacken bekommen habe und ich praktisch nicht mehr vor die Tür gehen konnte weil ich eine heftige Angststörung entwickelt habe. Ich konnte nicht mal mehr Auto fahren oder einkaufen waren. Nochmal zu erinnerung: ich würde sagen ich bin ein sehr sozialer beliebter mensch mit viel kontakt zu leuten. Und plötzlich kann ich nicht mehr vor die tür gehen. Dann war ich tatsächlich 6 Monate lang krankgeschrieben. Diagnose: starke Angststörung mit Kollapsen. Problem war: ich hab nach 6 Wochen AU Krankengeld bekommen, und da ich auf Provision arbeite war das ein Bruchteil meines Einkommens. Also konnte ich nicht mal meine Kredite etc. Zahlen. Nun saß ich da zuhause mit ner Angststörung, kann nicht raus gehen, keinen einzigen Cent und einer Menge schulden. Übrigens habe ich mit meiner Familie nie über meine Sucht gesprochen, aber ich denke sie konnten sich es denken und haben es einfach nie ausgesprochen gekriegt. Naja anschließend habe ich Therapie gemacht und bin mit meiner letzten Kraft irgendwie nach Mexiko geflogen um Urlaub zu machen und um wieder klarzukommen und zu lernen wieder rauszugehen und unter die Leute zu kommen. Das hat auch sehr geholfen und anschließend habe ich es geschafft wieder zu arbeiten und einigermaßen unter leute zu gehen. Antidepressiva hat mir sehr geholfen. Achja ich habe selbstverständlich bei der ganzen Nummer eine tiefe Depression entwickelt. Dann ging es plötzlich noch weiter runter in das Problem und Hilflosigkeit: ich bekam mein erstes gehalt, und hab alle Rücklastschriften gezahlt die offen waren, die letzten 200€ auf meinem Konto (am gleichen tag als das Gehalt drauf war) habe ich eingezahlt und daraus 90.000€ gemacht. Ohne scheiß. Ich weiss nicht wie aber 90.000€. 4std später. Alles verzockt. ?!?!??? Bin danach ins Auto gestiegen, an einen See gefahren und habe 3std lang nur geheult. Tage
Später habe ich mir Geld von einem Freund geliehen um erneut umzuschulden und um dispo kreditkarte etc. Auszugleichen. Er hat mir 22000€ geliehen. Allerdings war die Bedienung ich zahle ihm monatlich 1500€ zurück + Zinsen. Ich habe mit den 22000€ ca. 5000€ Rechnungen bezahlt und den rest ebenfalls verzockt. so. Zusammengefasst: jetzt habe ich über 40.000€ schulden, habe alle chancen die ich irgendwie bekommen habe aus der sache rauszukommen nicht genutzt und habe jetzt eine fette depression mit bösen gedanken + fixkosten von 2000€. Aktuell verdiene ich 2200-2800€. Ich habe durchgehend rücklastschriften, schufa einträge, mahnungen, inkassobriefe etc. Habe wieder leichte panikattacken und starke Depressionen mit schlafstörungen. Ich kriege nichts mehr hin und alles was ich mir vornehme fühlt sich so schwer an und am liebsten würde ich einfach den ganzen Tag im Bett liegen und schlafen. Ich habe viel abgenommen obwohl ich eher dünn gebaut bin und habe mich selber so gehen lassen, dass es mir teilweise schwer fällt alle 1-2 tage zu duschen. Ich treff mich nur noch mit freunden wenn sie mich zwingen rauszugehen. Am liebsten würde ich einfach jeden tag alleine zuhause bleiben. Ich habe mit meinem Vater darüber gesprochen und habe ihm die Situation ehrlich erzählt.
Hat gut getan. Aber er konnte mir nur mentale und keine finanzielle Unterstützung geben (wahrscheinlich aktuell auch besser so). Das hat sehr geholfen. Aber vor meinen geschwistern und meiner Mutter und meinem Stiefvater verheimliche ich meine Situation noch. Wobei sie genau wissen das irgendwas gewaltig nicht stimmt und ich ein riesen Problem habe. Ich merke wie alle sich um mich herum sorgen machen. Nebenbei wollte ich erwähnen: meine freunde sind alle in einer ähnlichen Situation wie ich, zumindest mit 1-2 krediten oder schulden aber bei denen ist es wenigstens so, dass sie ihre Kosten monatlich zahlen können und sich im Griff haben. Ich bin von allen der extremste. Es gibt noch soviel was ich eigentlich erwähnen müsste aber das würde den Rahmen sprengen. Und ich weiss, das ist schon viel text das tut mir auch leid aber ich musste einfach meine Gedanken loswerden.
Eine frage meinerseits: was soll ich machen? Ich weiss das mein Leben wieder schon wäre wenn ich das irgendwie in den Griff kriege. Ich will keine Schulden mehr haben bzw. Wenn dann gebündelt in einer einzigen bezahlbaren  Rate. Ich will meiner Familie davon erzählen aber ich weiß nicht wie. Ich möchte wieder normal schlafen und Energie haben. Ich möchte einfach Leben und nicht überleben.
Nochmal sorry für soviele wirre informationen und soviel text. Ich habe einfach geschrieben, was ich gedacht habe und groß zu überlegen

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Offline Olli

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Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #1 am: 29 Juli 2025, 12:56:53 »
Hi und herzlich willkommen!

Entschuldige Dich nicht für Deinen Text. Schreibe so viel wie Du willst und das alles auch ruhig frei Schnauze. Dafür ist das Forum mit seiner Community doch da ...

Zuerst muss ich Dir nahe legen, Deinen "Freundeskreis" zum Teufel zu schicken. Ihr seid eine reine Zweckgemeinschaft geworden. Der Zweck ist nun mal das Zocken.

Die Glücksspielsucht ist eine aus dem Ruder gelaufene Gewohnheit. Wenn Du Dir aber etwas abgewöhnen möchtest, dann musst Du alles, was mit der Gewohnheit zu tun hat, aus Deinem Leben verbannen.

Angststörungen, Depressionen, Glücksspielsucht ... diese Kombi schreit nach einem Therapeuten parallel zu dieser Gruppe.
Im Moment scheinst Du mir das Glücksspiel zur Emotionsregulation der beiden anderen Störungen zu nutzen. Gönne Dir also ruhig eine weitere Therapie.

Nun wirst Du sicherlich innerlich aufschreien, dass Du doch Verpflichtungen hast, die Du bedienen musst. Was ist mit der Verpflichtung Dir selbst gegenüber? Du scheinst mir gerade sehr sehr unglücklich zu sein. Geld ist geduldig. Auch der Freund, der Dir so viel Geld geliehen hat, muss sich gedulden. Diese wird sich dann im Nachgang hoffentlich bezahlt machen, auch im wahrsten Sinne des Wortes.

Und ja selbstverständlich musst Du mit Deiner Familie sprechen. damit sie Dich unterstützen können. Du weisst nicht, wie Du da anfangen sollst? Es ist egal ... Hauptsache Du fängst an. Und Du hast es ja schon erfahren ... finanzielle Zuwendungen musst Du ablehnen, damit Du Deine Lieben nicht auch in die Scheiße laufen lässt. Dieses "Freikaufen" aus der eigenen Verantwortung ist ein Symptom der Glücksspielsucht. Es hilft uns aber nicht, es hilft nur uns länger in den Klauen der Sucht aufzuhalten.

Wenn Du Fragen hast ... frage einfach ...

Auch Dir biete ich das Samstagsmeeting an. Installiere Dir den kostenlosen Zoom-Client und dann klickt pünktlich um 19 Uhr auf den Link in meiner Signatur. Zum Meeting erfährst Du mehr hier: https://www.forum-gluecksspielsucht.de/forum/index.php/topic,4941.msg44268.html#msg44268
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #2 am: 29 Juli 2025, 12:58:45 »
- Finanzen an jemanden abgeben, der dir Taschengeld gibt und den Rest verwahrt
- Oasissperre
- Schuldnerberatung
- Suchtberatung

Was du sonst noch tun kannst? Aufhören. Es wird kein Wunder geschehen, dass dich an den Punkt vor dem ganzen Schlamassel bringt. Du wirst für diese Taten bluten, aber das haben hier viele getan und solche wie ich tun es immer noch. Das Licht am Ende des Tunnels ist weit weg, aber es ist da. Sich outen? Ja, ist peinlich und schmerzt, aber ohne Aktion keine Reaktion, sprich keine Heilung. Spielsucht ist verheerend. Ich denke oft darüber nach und vergleiche es. Es gibt im Grunde nichts, was uns Menschen in so kurzer Zeit zerstören kann. Wie hier ein Forumsmitglied schon mal sagte: Gibst du Geld dafür aus, dass dich jemand schlägt? Kaufst du dir extra Messer, um dir damit wehzutun? Genau das machen wir - wir verblasen Geld für etwas, dass uns immer mehr zerstört und irgendwann muss man halt die Reißleine ziehen. Das wird dir niemand abnehmen. Es wird Möglichkeiten geben, zu spielen, aber du siehst ja, wohin das führt. Und es wird eindeutig nicht besser.

Lass dir helfen. Zu deinem eigenen Wohl.

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #3 am: 29 Juli 2025, 13:50:51 »
Hallo,
vielen Dank für die schnellen Antworten.
Ich denke auch, dass ich ein mal den unangenehmen weg gehen muss und das Gespräch suchen werde mit meiner Familie. Die wollen mir schließlich auch nur helfen. Mit dem Freundeskreis ist es sehr schwierig. Wir sind alle zusammen in diesen Teufelskreis geraten und natürlich tut es uns nicht gut miteinander zeit zu verbringen, da irgendeiner immer anfängt irgendwas in die Richtung zu erwähnen. Dennoch will man natürlich nicht seine Kindheitsfreunde in den Wind schießen. Allerdings will man auch nichts mehr mit Glücksspiel zutun haben. Schwierige Geschichte..  Ich denke auch, dass mein Unterbewusstsein irgendwas mit dieser Sucht kompensieren will. Meine frage jetzt an die jenigen die lange zeit nicht mehr gespielt haben: Wie war der Ablauf? Wenn ich mir vorstelle, dass ich geld auf dem Konto habe was theoretisch frei zur Verfügung steht und ich dann abends ein mal den Gedanken kriege „komm 100€ tun schon nicht weh“ dann kriege ich schon angst weil ich mir nicht mal vorstellen kann wie ich das aushalten soll es nicht zu machen. Sobald sich das ein mal in den Kopf gesetzt hat, sind alle gedanken und Erinnerungen an das ganze negative plötzlich wie weggeblasen.
Und ja bin Selbstverständlich bei OASIS gesperrt und auf zich anderen Online Casino seiten auch. Aber irgendwie findet man immer einen Weg. Ich habe die Hoffnung aber nicht aufgegeben und akzeptiere meine Situation auch nicht. Vielen vielen Dank für die Antworten

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #4 am: 29 Juli 2025, 14:10:37 »
Ich hoffe, das ist eine rhetorische Frage. Was tun, wenn du 100 € zur freien Verfügung hast? Dann lass es da, oder zahl deinem Kumpel 100 € mehr zurück, oder überweise den anderen Schuldnern 100 € mehr zurück. Ich weiß genau, was du denkst, weil es bei mir genau so war. Aus 100 € mache ich bestimmt mehr und kann dann mehr zurückzahlen. So ist es aber leider nicht. Du hast das Glück, noch zu Hause zu wohnen und hast quasi keine richtigen Fixkosten. Lies dir meinen ersten Beitrag durch, dann weißt du, wie es andees aussehen kann. Du bist noch eingebettet und das ist vielleicht auch gut so, aber lieber 100 € haben als keine 100 € haben und dafür wieder rumheulen. Nicht böse gemeint, ich hoffe, du verstehst, was ich damit sagen will.

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Offline Olli

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Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #5 am: 29 Juli 2025, 15:08:08 »
Hi!

Genau das sind die wichtigen Basics, die wir auch in der Selbsthilfe vermitteln. Im Moment denkst Du noch, dass Du eine Marionette Deiner Sucht bist. Das stimmt aber nicht. Es ist ein falscher Glaubenssatz. Davon haben Du und ich in der Vergangenheit jede Menge von angesammelt. Glaubenssätze sind Überzeugungen, die wir uns angeeignet haben. Das heißt aber nicht, dass wir selbst unsere Erfahrungen gemacht haben, zumeist übernehmen wir sie einfach aus unserer sozialen Gruppe.
Wie sah das denn bisher eigentlich aus. Du hast z.B. Geld auf dem Konto gehabt. Dieser Gedanke ließ Dich dann nicht mehr los. Die Sucht / Gewohnheit hat Dich dann immer das tun lassen, was Du immer gemacht hast ... Du hast Dich immer mehr in Richtung Suchtausübung orientiert. Das Verlangen in Dir wurde mehr und mehr und irgendwann hast Du ihm nachgegeben.
Wie sieht es aber aus, wenn Du kein Geld auf dem Konto hast. Verspürst Du dann auch genau das gleiche Verlangen? Schaukelt es sich dann auch immer höher? Nein, in der Regel kommt die Erkenntnis in Dir auf, dass Du ja gar nicht spielen KANNST!
Das gerade erst aufkeimende Verlangen wird sofort erstickt.
Glaubenssätze, auch die falschen, können auf den Prüfstand gebracht werden. Du kannst sie neu überdenken und daraus Deine neuen Glaubenssätze bilden. Hatten sie vorher keine Basis, so haben sie nun eine.
Es ist aber nicht so einfach, all die vielen Glaubenssätze erst einmal zu benennen. Nehmen wir ein Beispiel: Ich kann beim Glücksspiel gewinnen! - Stimmt dies für uns, bei denen es aus dem Ruder gelaufen ist? Schaue Dir an, was Du mit Deinen "Gewinnen" gemacht hast. Mit diesem Verhalten bist Du nicht alleine! Wieso blocken die Casinos sonst die Auszahlung? Sie wissen, dass für einen Spieler niemals ein "Gewinn" eintritt, egal wie hoch der angesammelte Betrag auf dem Spielerkonto auch sein mag, Für uns ist dieser nur der Einsatz fürs nächste Spiel!
Nun die Frage an Dich: Wenn wir schon nicht "gewinnen" können ... spielen wir dann vielleicht um zu verlieren?

Kann es sein, dass Dein Username aus einem "großen Spiel" stammt? Dann benenne Dich doch bitte um. Wähle bitte einen Usernamen, der Dich ein wenig beschreibt. Da Du Dich auf den Weg gemacht hast, Deine Sucht zum Stillstand zu bringen, wie wäre es vielleicht mit "Wanderer"?

Dann ist mir noch etwas aufgefallen, was ich nicht gut für Dich finde. Wie Viele benutzt Du bei Gedanken, die in Dir Unbehagen auslösen, das Wörtchen "man", wenn Du von Dir sprichst. Nutze bitte ich ... übe es ... Du schiebst das Unangenehme dann nicht mehr von Dir weg und bist dann motiviert dem entgegen zu handeln.

Zurück zum Thema ... Die Glaubenssätze zu finden und auf den Prüfstand zu bringen, braucht einfach Zeit. Der Abstand zum Spiel hilft Dir, die Vorteile der Abstinenz zu erkennen. Doch was kannst Du in der Zwischenzeit tun? Dafür gibt es Skills. Das sind überwiegend Aktionen, bei denen Du über Deine Sensorik Deine Gedanken und Gefühle beeinflusst. Es gibt auch kognitive Übungen, doch die brauchen auch etwas Zeit. Ein Beispiel für die Sensorik ... binde Dir einen Gummiring ums Handgelenk. Wenn der Suchtdruck unangenehm wird, dann lasse den Gummiring flitschen. Vorsicht! Nicht dabei verletzen! Solch ein Skill soll keine neuen Borderliner fabrizieren! Dann gibt es Noppenbälle zu kaufen, die Du in der Hand knetest. Die Noppen drücken sich dann in die Hand und Du wirst abgelenkt. Du kannst aber auch kalt duschen gehen oder das Treppenhaus rauf und runter laufen. Chilligummibärchen sollen der Hammer sein ... :)

Zu den Freunden: Du darfst ihnen gerne sagen: Jungs, ich habe eine Glücksspielsucht entwickelt. Von daher muss ich mich von Euch fernhalten, da ihr ja noch spielt. Ich möchte nicht durch Erzählungen oder unbedachte Bemerkungen getriggert werden. Von daher muss ich Abstand zu Euch halten. Ich muss hier an mich denken! (Hast Du bemerkt, wie oft ich jetzt "ich" benutzt habe? Gerade in so einem Gespräch ist es wichtig darauf zu achten. Es geht ja schließlich um Dich und niemand sonst.)

Mein junger Freund: Du bist kein Kind mehr! Deine Freunde auch nicht! Freundschaften, und das ist das Natürlichste von der Welt, brechen schon mal auseinander.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #6 am: 29 Juli 2025, 20:19:20 »
Hallo,

am besten eine App/ Software auf deinen Computer / Handy runterladen die dich sperren das du überhaupt nicht auf solche Seiten gelangen kannst, der Anfang wird sehr sehr schwer am besten ablenken mit etwas andere was dir vielleicht Spaß macht unbedingt einen Therapeuten aufsuchen und wenn momentan alles hoffnungslos erscheint, es kann nur besser werden wenn du das spielen sein lässt.

Denk an den Tag wo du am See gefahren bist und dich ausgeheult hast, diesen Schmerz willst du sicher nicht nochmal durchmachen?

Für mich ist der Schmerz den ich hatte die größte Motivation , weil ich das nie wieder empfinden möchten.

Ich wünsche dir viel Kraft und du packst das !!

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #7 am: 31 Juli 2025, 08:53:56 »
Ich hab deinen Text gelesen – und an vielen Stellen hab ich mich selbst erkannt.

Ich weiß, wie’s ist, wenn man sich komplett verliert. Wenn man Geld gewinnt, von dem andere nur träumen – und trotzdem alles verzockt. Wenn man genau weiß, was man falsch macht, und trotzdem nicht aufhört. Wenn man nachts im Bett liegt, die Augen offen, Herz rast, Kopf explodiert – und du weißt: Du bist innerlich komplett am Arsch. Ich war da.

Wie kommt man da raus?
Ganz ehrlich: Ich kann dir nicht mal sagen, wie genau ich’s geschafft hab. Es war kein Plan, kein Kurs, keine App. Es war eine Entscheidung. Eine endgültige. Lies meinen Beitrag, dann weißt du, wie’s bei mir war. Aber ich sag dir eines:
Wenn du wirklich raus willst – und ich meine wirklich – dann musst du die Version von dir töten, die dich in diese Hölle geführt hat.
Du willst eine neue Version von dir selbst? Dann töte die alte.
Nicht ein bisschen ändern. Nicht reduzieren. Nicht hoffen, dass du's "unter Kontrolle" bekommst.
Töten.
Schlussstrich. Kein Blick zurück.

Und was deinen sogenannten „Freund“ betrifft, der dir Geld mit Zinsen leiht: Das ist kein Freund. Punkt. Es ist völlig egal, wie man’s dreht. Wer dir in so einer Lage noch Zinsen aufbrummt, gehört nicht zu deinem Team. Das sehen vielleicht viele nicht so, aber meiner Meinung nach ist das nicht Helfen sondern Ausnutzen. Da brauchst du keine Meinung, da brauchst du einen Schlussstrich. Jemand, der sich an deiner Not finanziell bereichert, gehört raus aus deinem Leben. Ganz einfach.

Und dann noch was ganz Entscheidendes: Lass das mit dem Gras. Komplett. Pflanze hin oder her, es ist und bleibt eine Droge. Ich hab Leute erlebt, die über Jahre konsumiert haben und heute komplett vernebelt durch die Gegend laufen. Kein Fokus, kein Tiefgang, keine Konzentration. Ihre Birne ist weichgekocht. Gespräche mit denen sind wie gegen Watte reden. Wenn du raus willst aus diesem Loch, brauchst du einen klaren Kopf – und Gras gibt dir genau das Gegenteil. Also streich das Thema direkt mit.

Was dein Freundeskreis angeht: Ich versteh’s. Kindheitsfreunde, man hat zusammen alles erlebt, man denkt, man darf das nicht wegwerfen. Aber mal ehrlich: Was willst du? Willst du leben oder weiter langsam verrecken in dieser Spirale?
Wenn dein Umfeld weiter zockt, dann wirst du früher oder später wieder zocken. Punkt.
Du kennst das Sprichwort: „Zeig mir deine Freunde, und ich sag dir, wer du bist.“ Es stimmt.
Wenn du wirklich raus willst, musst du auf Distanz gehen. Nicht für ein paar Wochen – dauerhaft. Sag es offen, ehrlich: Ich hab ein Problem, und wenn ich weitermache wie bisher, geh ich unter. Manche werden es akzeptieren, andere nicht. Manche werden versuchen, dich zu halten, dich zurückzuziehen – weil dein Ausstieg sie zwingt, sich selbst zu hinterfragen.
Aber genau so funktioniert das Spiel: Der Teufel kommt nicht mit Hörnern. Der kommt in Form von Vertrauten.

Also, pack dein Leben. Da kommt keiner und zieht dich raus. Das machst du allein. Aber du kannst es. Wenn du willst, wenn du bereit bist, alles zu lassen, was dich zerstört, dann hast du eine Chance.

Du bist kein Versager. Du bist süchtig – das ist eine Krankheit, keine Schwäche. Aber du entscheidest, ob du darin bleibst oder kämpfst. Und diese Entscheidung, die kannst du heute treffen.

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Offline Olli

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Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #8 am: 31 Juli 2025, 09:50:12 »
Guten Morgen!

Zitat
Wenn du wirklich raus willst – und ich meine wirklich – dann musst du die Version von dir töten, die dich in diese Hölle geführt hat.

Um Gottes Willen: NEIN! Diese Analogie ist FALSCH!

Zunächst einmal muss ich betonen, dass mir Dein Beitrag gefällt, sehr sogar, und Du am Ende schon die richtigen Schlüsse aus meiner Sicht ziehst. Doch diese Analogie kann ich nicht mitgehen.

Etwas abgeschwächt gibt es auch das Gleichnis des "Kämpfens". Auch hier sage ich schon ... lasse das sein!
Gegen web kämpfen wir denn da? Gegen uns selbst! Auch wenn wir der Krankheit einen Namen geben und sie zum Teil personifizieren, so ist die Krankheit "Glücksspielsucht" doch ein fester Bestandteil von uns. Sie ist auch nicht separiert in einem Finger oder in den Haaresspitzen, sodass ich sie abschneiden könnte. Die Krankheit hat sich nicht nur im Alltag immer mehr breit gemacht, sondern im Alltäglichen! Wir hören ein Geräusch und in Sekundenbruchteilen denken wir an ein spezielles Spiel. Im Fernsehen wird in einem Film ein Tennismatch gezeigt und schon stellt sich innerlich die Frage, ob auf das Endergebnis noch Wetten angenommen werden können. Mich triggern heute, nach 19 Jahren Abstinenz, noch Lichtreflexe, die mich sofort an die glänzenden beleuteten Oberflächen der Glücksspielautomaten erinnern.
Was ich brauche, das ist die Krankheitseinsicht! Wie oft habe ich es schon erlebt, dass jemand sich selbst beweisen musste, dass er nach einer Phase der Abstinenz nun doch wieder kontrolliert spielen kann. Frage: Wird die Laktoseintoleranz besser, wenn ich den Konsum von Milchprodukten pausieren lasse? Wer diese Krankheit hat, der nimmt keine Milchprodukte mehr zu sich ... Punkt ... Ende ... aus.
Für uns Glücksspieler heißt das: Keine Spielhallenbesuche! Wett-/Trading-Apps löschen! ... Viele solcher "Verbote" oder besser formuliert "Regeln" helfen mir mein Leben wieder in den Griff zu bekommen!
All meine Kraft, die ich bisher in die Aufrechterhaltung der Sucht investiert habe - also der Selbstzerstörung, kann ich nun "FÜR" mich einsetzen! Oh, da muss schon eine Menge "losgelassen" werden. Da braucht aber niemand Angst vor zu haben. Veränderungen durchleben wir doch tagtäglich.

Ich muss aufhören ... der Kater meiner Schwester braucht seine Schmuseeinheiten ... ich auch ... :)
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #9 am: 31 Juli 2025, 10:16:24 »
Hey Olli, danke dir für deine Antwort – ich versteh total, wie du das meinst.

Ich glaub auch nicht, dass du falsch liegst – ganz im Gegenteil. Dein Weg, die Sucht als Teil des eigenen Lebens zu akzeptieren und damit achtsam umzugehen, funktioniert für viele. Und gerade für die langfristige Stabilität ist das wahrscheinlich genau richtig.

Aber das, worauf ich rauswollte, war was anderes.

Mein Fokus liegt nicht auf der Sucht als Krankheit –
sondern auf dem inneren Anteil, der immer wieder Ausreden sucht, sich’s bequem macht, Verantwortung abgibt.

Der sagt: „Morgen fang ich an.“
Der sagt: „So schlimm ist es nicht.“
Der sagt: „Ich kann doch mal wieder probieren.“

Und dieser Teil – der ist gefährlich.

Nicht, weil er „süchtig“ ist – sondern weil er feige ist.
Weil er dein Potenzial frisst, während er dir vorgaukelt, dass du dir ja „nur noch ein bisschen Zeit gibst“.
Weil er dich klein hält, obwohl in dir alles steckt, was du brauchst.

Ich hab diesen Teil lange leben lassen. Ich hab ihm geglaubt.
Ich hab mich selbst sabotiert – mit Stil, mit Intelligenz, mit rhetorischer Finesse.
Ich war clever in meiner eigenen Zerstörung.

Und genau deshalb musste ich ihn töten.

Nicht metaphorisch weichgespült. Nicht mit Reden, sondern mit Entscheidung.
Ich wollte nicht mehr verhandeln. Ich wollte raus. Punkt.
Und dafür musste die Version von mir gehen, die sich selbst immer wieder verraten hat.

Das war der Wendepunkt.
Nicht, weil ich stark war – ich war’s nicht.
Aber weil ich endlich ehrlich war.

Und ja – Gott hat mich da rausgeholt.
Aber ich musste zuerst aufhören, mit dem Teil in mir gemeinsame Sache zu machen, der mich zurück in die Hölle ziehen wollte.
Ich musste bereit sein, den Preis für Freiheit zu zahlen: alles Alte hinter mir zu lassen.

Das ist meine Sicht. Nicht als Angriff auf andere Wege – sondern als Zeugnis von meinem.
Deshalb war diese Metapher gar nicht auf die Sucht bezogen, sondern eher auf die schwache Version seiner selbst.

Und jetzt: Viel Spaß bei der Schmuseeinheit mit dem Kater –
der Einzige im Raum, der konsequent Liebe verlangt,
ohne je an sich selbst zu zweifeln.  ;D


Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #10 am: 31 Juli 2025, 11:10:55 »
Mein Fokus liegt nicht auf der Sucht als Krankheit –
sondern auf dem inneren Anteil, der immer wieder Ausreden sucht, sich’s bequem macht, Verantwortung abgibt.

Der sagt: „Morgen fang ich an.“
Der sagt: „So schlimm ist es nicht.“
Der sagt: „Ich kann doch mal wieder probieren.“

Und dieser Teil – der ist gefährlich.

Nicht, weil er „süchtig“ ist – sondern weil er feige ist.

Aber das was Du hier schreibst ist die Krankheit.
Da ich kein Anwalt bin spiegeln meine Posts lediglich meine eigene Meinung wieder.

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #11 am: 31 Juli 2025, 11:44:06 »
Zitat
Aber das was Du hier schreibst ist die Krankheit

Ich versteh, warum du das denkst – aber da liegt ein ganz grundlegender Denkfehler drin.
Denn was ich beschrieben habe, ist nicht die Glücksspielsucht selbst, sondern etwas ganz anderes.

Glücksspielsucht ist eine anerkannte Krankheit.
Sie verändert das Gehirn, vor allem das Belohnungssystem.
Es wird Dopamin ausgeschüttet – ähnlich wie bei harten Drogen – und das führt dazu, dass das Hirn auf Dauer neu „programmiert“ wird.
Man verliert die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, weil die Impulse automatisch ans Belohnungssystem gekoppelt sind.
Da redet man nicht von Faulheit, da redet man von einem echten neurologischen Hijack.
Ein Kontrollverlust, der nichts mehr mit Charakter oder Entscheidung zu tun hat.

Aber:
Das, worauf ich hinauswollte, ist ein ganz anderer innerer Anteil.
Der Teil, der nicht fremdgesteuert ist.
Der nicht unter Zwang steht.
Der einfach nur bequem ist.
Der weiß, was er tun müsste – es aber nicht tut.
Der aufschiebt, sich rausredet, Verantwortung abgibt, Ausreden findet.
Und der hinterher nicht leidet wie jemand im Suchtdruck – sondern sich einfach nur ein bisschen blöd vorkommt, weil er es wieder nicht gebacken gekriegt hat.

Das ist keine Krankheit. Das ist eine Charakterschwäche.

Und das ist wichtig zu unterscheiden.
Denn wenn man beginnt, solche menschlichen Schwächen als Teil der Sucht zu labeln,
dann macht man die Krankheit größer, als sie ist – und gleichzeitig jede Form von Verantwortung unsichtbar.

Ich sag das übrigens nicht aus Distanz. Ich war selbst glücksspielsüchtig.
Ich kenn den Kontrollverlust – und ich kenne auch diesen bequemen Anteil in mir,
der viel länger überlebt hat als die akute Suchtphase.

Und gerade deshalb weiß ich:
Die Sucht musste behandelt werden.
Aber der faule, feige Teil in mir – der brauchte keine Therapie.
Der brauchte Ehrlichkeit. Und Konsequenz.

Deshalb ist es ein bisschen zu kurz gedacht – oder sagen wir: ein bisschen ungenau – wenn du sagst, ich hätte „einfach die Krankheit beschrieben“.
Weil das, was ich beschreibe, auch in Menschen lebt, die nie süchtig waren –
aber trotzdem jeden Tag Dinge aufschieben, sich rausreden, sich selbst belügen.

Nicht alles, was nach Sucht aussieht, ist Sucht.
Und nicht alles, was unbequem zu hören ist, braucht eine Diagnose.
Manchmal reicht ein Spiegel.

*

Offline Olli

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Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #12 am: 31 Juli 2025, 13:00:52 »
Au, au, au, au ...

SSSSSSCCCCHHHHHTTTTOOOOOPPPPPPP! :)

Das, was Du beschreibst, das ist alles Bestandteil der Sucht. Charaktereigenschaften sind unveränderlich! Im Grunde beschreibst Du das Vorurteil, dass Glücksspieler charakterschwach sind. Genau das Gegenteil ist aber zumeist der Fall.

Zitat
Sie verändert das Gehirn, vor allem das Belohnungssystem.

Die Sucht verändert das Fühlen, das Denken und das Handeln. Diese drei sind untrennbar miteinander verwoben!
Wenn mein Belohnungssystem aktiviert werden will, dann fallen mir sofort unzählige Dinge ein, die ich mit Glücksspiel verbinde. Also richtet sich auch mein Handeln danach. Und wenn der süchtige Teil in mir denkt, dass es ja noch etwas Zeit hat mit dem Aufhören, dann ist das eine klare Ansage an die Weiterführung der Sucht. Ich denke, weil ich fühlen will. Ich handele, weil ich denke, Weil ich handele, fühle ich auch.

Wenn ich aber mein Denken verändere, weil ich mich z.B. wie oben beschrieben mit Glaubenssätzen und Affirmationen auseinander setze, wie: "Ich schaffe das nicht!" ... wenn ich mir andere Sichtweisen aneigne ... wenn ich einer höheren Macht meine Unzulänglichkeiten überlasse und vielen andere Alternativen folge, dann verändere ich mein Handeln und mein Fühlen ebenso.

Ich bin aber immer noch der selbe Mensch mit eigenen Werten, die ich in der Vergangenheit oftmals verleugnet habe, mich aber nun wieder daran halte. Da viele schädliche Erfahrungen aber in meinem Gehirn verankert sind und größtenteils auch mit "normalen" Dingen verwoben, kann ich das nicht abtöten. Das geht einfach nicht. Im Gegenteil muss ich achtsam sein, dass da nicht irgendwann längst verloren geglaubte Automatismen nicht wieder zum Leben erweckt werden.

Zitat
Weil das, was ich beschreibe, auch in Menschen lebt, die nie süchtig waren –
aber trotzdem jeden Tag Dinge aufschieben, sich rausreden, sich selbst belügen.

Eieiei ... ja und nein! Wir leben in einer sozialen Gruppe/Gesellschaft, mit eigenen Werten und Normen. Dabei sind auch einige, die, genauer betrachtet, nicht so schön sind. Sie gehören aber zu uns und fördern auch einige Verhaltensweisen, die nicht so schön sind. Nicht so schönes Handeln - nicht so schönes Denken - nicht so schönes Fühlen (ggf. bei jemandem anderen). Also ja, wir gleichen uns in vielen Dingen - "zwangsläufig". Wieso handeln Angehörige ähnlich bis gleich wie ihre Glücksspieler? Weil es Zufall ist?
Nach Deiner Analogie müssten auch die Angehörigen charakterschwach sein? Auch sie prokrastinieren häufig! Sind sie auch charakterschwach? Sind sie es, weil ihr Spieler es ist? Ist Charakterschwäche ansteckend?

Nein, nein ... Du machst es Dir zu einfach. Das Gute an der Analogie ist aber, dass Du Abstand nimmst zu dem Teil, den Du da anprangerst. Da fahren wir wieder auf der selben Schiene.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

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Offline Rubbel

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Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #13 am: 31 Juli 2025, 13:19:17 »
Hi OG...

verrätst Du die Dauer Deines spielsüchtigen Verhaltens und die Dauer Deiner Abstinenz bis heute?

Meinst Du, der Psychologe damals, der meinte, Deine Sucht wäre als Knackpunkt in Deiner Familie 'verankert', wollte Dir damit ein Schuldbewusstsein mitgeben? --- oder habt Ihr das noch mal 'bearbeitet'?
Das Christentum funktioniert genau auf diesen Überzeugungen. Himmel-Hölle, gut-schlecht, Schuld-Unschuld, Verdammnis-das Sitzen zur Rechten 'Gottes', Selbstlosigkeit-Selbstsucht ... und last but not least überfällige Rollenmuster Frau-Mann.
Gott als personifizierter 'Superman'. (einfachste Strukturen, einfach lebensfremd)

Sorry ... das kann echt schlimm in die Hose gehen. Und obwohl z.B. jemand die Bibel 'durchgekämmt' hat (Text auf fast jeder Seite markiert und/oder kommentiert hat!) und sich auch mit Philosophie, Anthropologie und allerlei psychologischen Ansätzen auseinandergesetzt hat, ist ihm nicht geholfen. Von allem kann frau/man lernen, ja, aber das Grundgefühl bleibt für den reinen Verstand verschlossen.
Ich möchte damit sagen: Pass' bitte auf Dich auf! Du hast hier Deinen 'Superman' als 'Kumpel' mit der Sucht ausgetauscht (glaubst Du!), was allerdings nicht gewährleistet, dass das so bleibt oder Deine Persönlichkeit verändert (hat).
Von dieser Spielsucht ist der Gewinngedanke, aber auch vieles Andere an Aspekten der Persönlichkeit maßgebend beeinflusst und/oder  auch beeinträchtigt.  Zum Beispiel die Form  der Geldbeschaffung. Die setzt Kreativität für das Aufrechterhalten des süchtigen Verhaltens voraus, eine gewisse Missachtung und einen Missbrauch anderer Menschen (und sie zu dominieren), den inneren Kampf zwischen Verstand und Psyche, die Flucht vor nicht aushaltbaren Situationen und ... eine Menge anderer Aspekte.
Der Mensch ist nicht 'statisch'. Eines fließt in das  Andere. Persönlichkeits-Klötzchen adé :)

Und - was verleitet Dich dazu, Deine 'manifesten' bzw. 'dominant anmutenden' Überzeugungen als für jeden Menschen (hier) gleichsam gültig zu beschreiben? Für mich sind es Beziehungs'schäden' aus früher Zeit, die 'überspielt' werden, weil sie nicht/kaum aushaltbar sind.
Ich habe noch mal alles gelesen, was Du so schriebst, und vor meinem inneren Auge ist für Dich vielleicht jeder Mensch ein Setzbaukasten und die Einzelteile auswechselbar und so, wie sie Deine Ansichten unterstützen. Das böte sich als 'Modell' an, ich bin im Laufe des Lebens der Überzeugung, dass alles viel komplizierter ist und auch verstrickt - und das jeder Mensch die Aufgabe annehmen sollte, sich selbst soweit zu 'erkunden', um die Möglichkeit zu lernen und wahrzunehmen, unter Annahme früher Erfahrungen und Verletzungen die für sich selbst und das eigene Leben 'bestmögliche Version seiner Selbst' zu leben. Ein 'entfesseltes' Leben, sich selbst bewusst.
Die eigene Lebensgeschichte bleibt. Eine Suchtveranlagung auch. Wachsamkeit ist wichtig, und die gilt es zu entwickeln. Das braucht Zeit und ist nicht leicht. Und immer wieder eigene Entscheidungen zu treffen.

Es ist keine Sache von 'Faulheit' oder sonstiger Verhaltensweisen, wie Du sie aufzählst, wenn ein/e Süchtige/r Probleme hat oder lange braucht, um von dem süchtigen Verhalten  zu lassen, weil es eben dazu keine verstandesmäßige Entscheidung gab. So ist auch nur mit Verstand und/oder einer imaginären Figur (als 'Beichtvater' oder Wunscherfüller) nicht längerfristig geholfen. Mag für Dich erst mal passen, langfristig bleibt das ungewiss.

Vor allem domiantes, manipulierendes Verhalten ist damit nicht abgestellt.

« Letzte Änderung: 31 Juli 2025, 13:31:28 von Rubbel »
--Meist ist Geist geil--

Re: Ich bin ganz ganz unten
« Antwort #14 am: 31 Juli 2025, 13:56:56 »
Hi Rubbel

In deinem Beitrag steckt viel Nachdenken drin – auch eigene Erfahrungen, die tiefer gehen, als man auf den ersten Blick sieht. Ich respektiere das, wirklich. Aber ein paar Dinge will ich trotzdem gerade rücken – nicht aus Trotz, sondern weil ich finde, dass eine ehrliche Diskussion auch mal Reibung aushalten muss.

Zum Vergleich mit „Superman“: Ganz offen – das kam bei mir respektlos rüber. Nicht nur, weil ich selbst gläubig bin, sondern weil du damit etwas sehr Persönliches und Tiefes auf eine Karikatur reduzierst. Ich hab Gott nicht gesucht, weil ich einen neuen Kumpel oder einen Wunscherfüller brauchte. Ich hab ihn gefunden, als gar nichts mehr ging. Als alles zerbrochen war. Der Glaube war für mich kein Ersatz für meine Sucht – sondern ein Gegenentwurf zur Lüge. Und ob man das nachvollziehen kann oder nicht: Es ist echt. Es ist nicht kindlich, nicht naiv, und ganz sicher nicht „lebensfremd“. Wenn du das für dich anders siehst, ist das in Ordnung.

Was das Thema „manipulatives Verhalten“ betrifft: Wenn du damit meinst, wie wir Süchtigen oft andere Menschen benutzen, belügen, unter Druck setzen – ja, absolut. Ich hab das getan. Ich hab Dinge gesagt, die ich nie so gemeint hab. Ich hab Vertrauen ausgenutzt. Ich hab Schuld umgedreht. Und ich hab gelitten – nicht nur wegen der Sucht, sondern weil ich gesehen hab, wer ich geworden war. Aber ich schreibe heute nicht aus diesem Zustand heraus. Ich schreibe aus der Distanz. Aus einem Leben, in dem ich mich dieser dunklen Seite gestellt habe. Und genau deshalb spreche ich so klar über Verantwortung, über Entscheidungen, über Ehrlichkeit. Nicht, weil ich alles im Griff hab – sondern weil ich endlich aufgehört hab, mich rauszureden.

Ich glaube, wir machen oft den Fehler, alles, was unbequem klingt, direkt unter „Druck“ oder „Schuldgefühl“ zu verbuchen. Aber manchmal ist das, was drückt, genau das, was uns aufwecken könnte.Ich weiß, wie es ist, aufzuwachen und zu merken: Heute ist der erste Tag meiner Abstinenz. Und der fühlt sich nicht an wie ein neues Leben.
Der fühlt sich an wie ein Marathon, den man in Handschellen startet – barfuß, mit kaputten Knien.
Aber man geht trotzdem los.
Nicht, weil es leicht ist – sondern weil man wirklich will.
Und da hilft kein Philosophieren, keine Analytik, keine klugen Modelle – nur Wille, Geduld und Disziplin. Und der Mut, die Komfortzone zu verlassen.

Denn was oft als „Suchtverhalten“ getarnt ist, ist manchmal auch einfach Trägheit, Bequemlichkeit, Angst vor Verantwortung.

Veränderung passiert nicht im Kopf. Nicht in der Theorie. Nicht im „Vielleicht irgendwann“. Sie beginnt, wenn du aufhörst, dich selbst zu belügen. Wenn du sagst: Jetzt. Heute. Schluss.

Und weil du es angesprochen hast – ja, ich hab in anderen Beiträgen auch über Werte gesprochen. Über Männer- und Frauenrollen. Nicht, weil ich denke, ein Geschlecht ist besser oder schwächer. Sondern weil ich glaube, dass es kulturelle und natürliche Unterschiede gibt, die man weder leugnen noch fürchten muss. Aber darum geht’s hier gar nicht. Es geht nicht darum, wie Mann oder Frau sich verhalten soll – sondern wie wir alle anfangen können, Verantwortung zu übernehmen. Für unser Handeln. Für unsere Entscheidungen. Für unsere Heilung.

Ich bin nicht hier, um zu manipulieren oder zu missionieren.
Ich bin hier, um ehrlich zu erzählen, was mir geholfen hat.
Vielleicht ist es nicht für jeden das Richtige.
Aber vielleicht bringt es jemanden zum Nachdenken – und zum Handeln.
Und das wäre schon mehr, als viele Worte je erreichen.

Denn ja: Wer wirklich will, kann aufhören.
Nicht mit einem Fingerschnippen.
Aber mit einer Entscheidung, die kein Vielleicht mehr kennt.

 

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